Gottesdienste

Gedanken zur Bibel

Jahreslosung 2024: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. (1.Korinter 16,14)

Was heißt das eigentlich?  
Liebe – meint nicht unbedingt zu allem „Ja und Amen“ zu sagen. Denn wer sich selbst und seine Meinung aufgibt, wird für den anderen als Gegenüber unsichtbar. Aber Liebe meint doch ein sehr intensives Bezie-hungsgeschehen zwi-schen zwei gleichberechtigten Menschen. 
Liebe meint auch nicht die romantische Verklärung: In 2024 sollten wir alles und jeden durch die sprichwörtlich „rosa-rote Brille“ sehen – obwohl uns ein bisschen von diesem verklärenden Licht bestimmt ganz gut tun würde. Nicht nur in dieser dunklen Jahreszeit, sondern auch in diesen finsteren welt-politischen Zeiten. Aber vielleicht können wir einen liebevolleren Blick vor Ort einüben, indem wir die kleinen Zeichen der Liebe wahr-nehmen, indem wir achtsam auf die leisen Zwischentöne hören und uns nicht nur durch die großen Schlagzeilen leiten lassen. Wie anders wäre die Sache mit unserer Präses gelaufen, hätten hier mal Menschen liebevoll nachgefragt, anstatt schon vorher alles zu wissen und mit dem Vorwurf der Ver-tuschung hart vorab zu urteilen. 
1921, drei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg dichtet der Jurist Paul Kaestner ein Tischgebet sozusagen als prophetisch-poetische Ausdeutung unserer Jahreslosung 2024: „Lass die Wurzel meines Handelns Liebe sein, senke sie in unser Wesen tief hinein. Lass doch alles hier auf Erden Liebe werden.“ (Als Gesangbuchlied unter EG 417). Vielleicht ist ihm da noch sehr schmerzlich bewusst, wohin die Weltgeschicke geführt haben, als sich die Liebe verflüchtigt hatte. Liebe – das macht er mit dem Begriff „Wurzel“ deutlich – ist eine Kraft, die uns von Grund auf verändert. Das ist nicht das kleine Sahnehäubchen obendrauf, sondern Liebe möge die Wurzel, das Fundament unseres Handelns sein. Dann können aus Fremden Nachbarn werden, dann können aus Nachbarn Freunde werden, wie wir es mit der Jugend so gerne singen.  
Kann sein, dass wir dann auch mal deutliche Worte finden müssen oder Grenzen aufzeigen müssen – aber das wissen alle Eltern, dass das unbedingt auch zu einer liebevollen Erziehung und einer solchen Beziehung dazugehört. Was wäre, wenn wir als Freunde uns nicht auch einmal gegenseitig liebevoll korrigieren könnten? Doch ich weiß: das ist eine hohe Kunst. Denn jede Kritik kann als vernichtend erlebt werden. Vielleicht hilft da die Frage: „Wie würde ich es selbst gerne gesagt bekommen, so dass ich die Kritik auch annehmen könnte und daraus lernen könnte?“ Und: „Kann ich mir vorstellen, wie meine Worte auf mich selbst wirken würden, wenn andere sie zu mir sagen würden?“ Also: Wie wäre es, wenn ich mal in die Schuhe des anderen schlüpfte und mir selbst dann begegnen würde?  
Die Liebe als das große Korrektiv für das, wie ich selbst anderen begegne. Da lohnt es zu bitten: „Lass die Wurzel meines Handelns Liebe sein, senke sie in unser Wesen tief hinein. Lass doch alles hier auf Erden Liebe werden.“ 
Im Namen des Teams wünsche ich Ihnen ein liebevolles Weihnachtsfest und einen liebenden Start in das neue Jahr, in dem Ihnen hoffentlich sehr viel Liebe begegnen möge. 
Ihr Pfarrer Jochen Müller